Fragen an Erhard Dietl

Zum Weltkindermaltag: Fragen an Erhard Dietl
Fragen an Erhard Dietl

Haben Sie schon als Kind gern gemalt und gezeichnet?

Ja natürlich! Ich hab mir auch oft Geschichten ausgedacht, sie in ein Heft geschrieben und Bilder dazu gezeichnet. Im Grunde waren das meine allerersten Bücher. Und später hab ich meine Schulbücher mit lustigen Zeichnungen geschmückt und meine Lehrer karikiert. Einer von ihnen hatte jeden Tag eine andere Krawatte an. Ich hab mir deshalb extra ein eigenes Heft zugelegt und zum Spaß alle seine bunten Krawatten verewigt.

Was schätzen Sie – wieviel Zeit haben Sie in Ihrem Leben bisher mit Malen und Zeichnen verbracht?

Das Zeichnen und Schreiben war immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Das mache ich nun seit über 30 Jahren und jeden Tag verbringe ich ein paar Stunden damit. Wenn man da nachrechnet, waren es sicher einige tausend Stunden …

Nach so viel Zeit und so vielen Bildern – macht Ihnen das Zeichnen immer noch Spaß?

Es macht mir immer noch Spaß, denn es gibt so viele unterschiedliche Aufgaben. Und ich zeichne ja  nicht nur, das Schreiben ist inzwischen mindestens genauso wichtig.
Bei den Olchis haben wir Bilderbücher, dicke Kinderbücher, Erstlesebücher, Theaterstücke, Musik- und Hör-CDs, Spielzeug, Bastelsachen und noch viel mehr... Das Schöne dabei  ist, dass ich mit Zeichnen und Schreiben immer abwechseln kann und so bleibt es spannend.

Malen und zeichnen Sie nur für konkrete Buch-Projekte oder Aufträge oder auch einfach „ganz privat“ (aus Spaß, zur Entspannung, beim Telefonieren,…)

Auch im Urlaub hab ich gern einen Zeichenblock dabei. Ich mache dann Skizzen von den Leuten am Strand oder setze mich zeichnend in ein Café.
Wenn ich Zeit habe, mache ich auch gern Radierungen, das ist eine alte, ziemlich  komplizierte Technik. Dabei muss man das Bild mit einer spitzen Radier-Nadel auf eine beschichtete Kupferplatte kratzen. Nicht einfach, denn dabei kann man nichts wegradieren oder korrigieren. Anschließend wird die Platte in Säure geätzt und kommt in eine Druckerpresse.

Viele Illustratoren erstellen ihre Bilder heute mit Computerprogrammen – warum malen Sie auf Papier?

Ich mag Papier unheimlich gern.  Papier hat für mich mehr Leben  als ein Computer-Tablet. Meine  Bilder für die Kinderbücher zeichne ich zuerst mit Bleistift auf ein Skizzenpapier und übertrage sie dann auf gutes Aquarellpapier. Das richtige Papier ist dabei sehr wichtig. Es gibt so viele tolle Aquarellpapiere, dicke, dünne, raue, glatte, weiße und gelbliche… und jedes fühlt sich anders an und hat andere Eigenschaften. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das ideale Papier für mich gefunden habe.
Für die Konturen der Zeichnungen verwende ich Zeichenfeder und Tusche oder  Tuschestifte und am Ende koloriere ich die Bilder mit Aquarellfarben.

Wie viele Stifte liegen auf Ihrem Schreibtisch bzw. wie viele Stifte besitzen Sie? Und was ist Ihre Lieblings-Bleistift-Dicke?

Auf meinem Schreibtisch liegen viele unterschiedliche Bleistifte, Tusche-Stifte, Farbstifteund Marderhaar-Pinsel in allen Stärken. Ich zeichne am liebsten mit einem 2B-Bleistift, drücke dabei nicht zu fest auf, damit er sich gut radieren lässt. Denn oft gehe ich danach noch mit dem Tuschestift drüber und von der Bleistiftzeichnung darf dann nichts mehr zu sehen sein.
Ich habe außerdem eine große Bleistift- und Kuli-Sammlung, die nicht zum Zeichnen gedacht ist, aber sehr dekorativ aussieht. Aus vielen Ländern hab ich Stiftezusammengetragen und da sind die verrücktesten Sachen dabei!

Von der Idee bis zum Buch – wie entstehen und entwickeln sich Ihre Figuren? Wie sind zum Beispiel Ihre bekanntesten Figuren, die Olchis, entstanden?

Normalerweise arbeite ich eng mit dem Verlag zusammen. Bei einem Kinderbuch besprechen wir erstmal die neue Geschichte, ich mache ein Exposé dazu und schreibe sie anschließend auf dem Computer.
Wenn der Text fertig ist, lässt ihn der Verlag schon mal in die richtige Seitenaufteilung bringen, so wie er dann auch im Buch zu sehen ist. Man nennt das die Fahnen. Nun steht fest, wo und wieviel Platz für die Bilder vorhanden ist, und erst jetzt  beginnt das Zeichnen.
Die allerersten Olchi-Bilder sind  eher zufällig entstanden.
Ich habe mit einem Bleistift vor mich hin gekritzelt und die ersten Olchi-Figuren entworfen. Ich fand die Figuren witzig und  die Idee einer schrägen monsterigen Familie, bei denen alles anders läuft als bei uns Menschen, sehr spannend.  Zu den Figuren hab ich mir kurz darauf die erste Olchi-Geschichte ausgedacht und daraus  wurde das Buch “Die Olchis sind da.“ Wer sich das Buch genau anschaut, kann sehen, dass die Olchis damals noch ein bisschen anders und wilder aussahen als heute.

Die Olchis sollen jetzt ins Kino kommen. Wie funktioniert die Verwandlung von Zeichnungen auf Papier in einen Kinofilm? Welche Rolle haben Sie als Zeichner der Figuren dabei?

Für den Film zeichne ich nicht selber, das macht ein Trickfilm-Studio und alles passiert natürlich mit komplizierter Computertechnik. Für so einen 3D-Film müssen die Figuren ein wenig verändert werden und wir haben die Möglichkeit, den Charakter und das Aussehen der Olchis noch stärker herauszuarbeiten.
Gerade jetzt sind wir in einer Phase, wo mir erste Entwürfe zu den Figuren vorgelegt werden. Da wird noch viel korrigiert und probiert und es dauert eine ganze Weile, bis alle Beteiligten zufrieden sind.

Malen und Zeichnen kann für die Entwicklung von Kindern aus verschiedenen Gründen wichtig sein. Laut Studien malen Kinder aber immer weniger – vor allem Jungs bevorzugen eher andere Freizeitbeschäftigungen. Haben Sie Tipps, wie man Kinder fürs Malen begeistern kann?

Es kann für Kinder nervig sein, wenn sie ständig malen sollen, damit sie ruhig gestellt und irgendwie beschäftigt sind. Z.B. bei diversen Kinder-Events oder in Restaurants werden sie oft mit langweiligen und oft kitschigen Ausmalbildern traktiert.  
Beim Malen und Zeichnen geht es um viel mehr. Kinder sollten dabei alles dürfen und ihrer natürlichen Fantasie freien Lauf lassen. Da sollte es kein „Das kann ich nicht!“ geben. Es können wilde Bilder sein, die auch wieder übermalt werden, es muss kein „Schönes Ergebnis“ werden. Dazu sollte man die Kinder anregen. Sie können sich auch etwas „von der Seele zeichnen“ und fantastische Welten entwerfen. Es  kann befreiend sein, wenn man dabei alles darf und sich alles zutraut.
Es ist wichtig, die Kinder nicht zu blockieren, indem man sie kritisiert, enge Aufgaben stellt  oder etwas einfordert. Es geht um Kreativität und man muss alles zulassen. Da  gibt es kein Richtig oder Falsch. Und wenn Kinder das spüren, haben sie sicher auch Lust darauf.
Und natürlich brauchen sie dazu richtiges Handwerkszeug. Große Blöcke, verschiedene Stifte, Pinsel, Stempel, Ausschneidebogen, Schere und Wasserfarben!

Hängen in Ihrem Haus/Ihrer Wohnung von Ihren Kindern gemalte Bilder?

Natürlich! Die Bilder meiner jüngsten Tochter schmücken die Küchenschränke und den Kühlschrank. Sie werden auch öfter durch neuere Werke ersetzt. Wie freue ich mich immer über ihre  tollen Bilder! Sie erstaunen mich immer wieder.

Herr Dietl, wird die Welt besser, wenn Kinder mehr malen?

Das wäre natürlich ein schöner Gedanke. Und nicht nur Kinder sollten dann mehr malen, auch alle Präsidenten dieser Welt  sollten regelmäßig zu Stift und Papier greifen müssen. Diese Bilder würde ich gerne sehen!
Das Zeichen und Malen lockert und befreit, und es regt die Fantasie an.
Auch die  Schulen hätten da eine wichtige Aufgabe. Kleine Kinder malen naturgemäß alle gern, die Lust daran verlieren sie eher durch störendes Eingreifen und Regulieren, und eben leider auch oft in der Schule. Wenn ich bei Lesungen in Schulen  komme und sehe, 20 Kinder mussten dieselbe Raupe Nimmersatt haargenau gleich abmalen und zwar möglichst sauber und ordentlich - ist das der richtige Weg?